Mitbestimmung des Betriebsrats bei betriebsbedingter Kündigung

Ob und wie der Betriebsrat an einer betriebsbedingten Kündigung zu beteiligen ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.

1. Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?

Im Rahmen einer ordentlichen Kündigung braucht der Arbeitgeber einen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrund. Ausnahmen gelten nur in Kleinbetrieben und während der Probezeit des Arbeitnehmers.

Diese betrieblichen Erfordernisse müssen einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Meist beruht dieses betriebliche Erfordernis auf einer unternehmerischen Entscheidung. Diese kann ihre Gründe sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens haben.

Eine betriebsbedingte Kündigung kann beispielsweise durch folgende betriebliche Erfordernisse begründet werden:

  • Umstrukturierung des Unternehmens
  • Schließung von Betrieben oder Betriebsteilen
  • Rationalisierungsmaßnahmen
  • Fehlender Gewinn
  • Abbau und Umwandlung von Arbeitsplätzen
  • Insolvenz
  • Digitalisierung
  • Arbeitsmangel und Auftragsrückgang
  • Wegfall der Finanzierung (z.B. von Subventionen)

2. Wann kann betriebsbedingt gekündigt werden?

Im Rahmen der Mitbestimmung hat der Betriebsrat zu prüfen, ob die betriebsbedingte Kündigung wirksam ist. Dafür ist die Kenntnis über die Besonderheiten dieser Kündigungsart von entscheidender Bedeutung.

Ein betriebliches Erfordernis allein genügt nicht, um dem Arbeitnehmer zu kündigen. Zwar soll der Arbeitgeber grundsätzlich frei über sein Unternehmen entscheiden und dieses bei Bedarf umgestalten können, jedoch muss auch der Arbeitnehmer geschützt werden. Diesem kann daher nur dann gekündigt werden, wenn dies unumgänglich ist und die Kündigung gerade dieses Arbeitnehmers sozial gerechtfertigt erscheint.

Für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer betriebsbedingten Kündigung sind im Übrigen die folgenden beiden Voraussetzungen von großer Bedeutung:

Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Das Kriterium meint nicht etwa, dass der konkrete Arbeitsplatz des Arbeitnehmers erhalten werden kann. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer jedoch einen vergleichbaren Arbeitsplatz anbieten, sofern ein solcher verfügbar ist.

Die Vergleichbarkeit der Arbeitsplätze hängt hier maßgeblich von der Art und dem Anforderungsprofil der ausgeführten Arbeit ab.

Beispiel 1: Sachbearbeiterin A ist bei einer Versicherung für die Bearbeitung von Brandschäden zuständig. Die Versicherung will ihren Arbeitsplatz mangels Kunden auflösen, kann ihr jedoch die Stelle einer Sachbearbeiterin mit Zuständigkeit für Wasserschäden anbieten. Sind die Stellen vergleichbar?

Ja! Zwar handelt es sich nicht um genau dieselbe Arbeit, jedoch geht es bei beiden Stellen um die Bearbeitung von Schadensfällen. Eine betriebsbedingte Kündigung wäre in diesem Fall nicht möglich.

Beispiel 2: Wieder soll der Arbeitsplatz von A wegfallen. Frei wäre nur eine Stelle als Abteilungsleitung.

Diesmal sind die Stellen nicht vergleichbar. Bei der Stelle der Abteilungsleitung würde es sich um eine faktische Beförderung der A handeln. Die A hätte hier vollkommen andere Tätigkeiten zu erfüllen und müsste andere Qualifikationen aufweisen. A könnte daher betriebsbedingt gekündigt werden.

Relevant für die Beurteilung sind auch Arbeitsplätze an anderen Standorten des Unternehmens.

Beispiel: Sachbearbeiterin A arbeitet in München. In der dortigen Filiale besteht kein vergleichbarer Arbeitsplatz. In der Berliner Niederlassung ist hingegen eine Stelle frei.

Die Versicherung muss der A auch diese Stelle anbieten, bevor sie ihr betriebsbedingt kündigt.

Fehlerfreie Sozialauswahl

Die deutlich komplexere Sozialauswahl erfolgt in zwei Schritten:

  1. Zunächst ermittelt der Arbeitgeber alle vergleichbaren Arbeitnehmer (Art der Tätigkeit, Qualifikation etc.).
  2. Dann betrachtet er anhand von bestimmten Sozialdaten, wessen Kündigung sozial am vertretbarsten wäre.

Im Rahmen der Abwägung müssen die folgenden Sozialdaten betrachtet werden (§ 1 Abs. 3 KschG):

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Lebensalter
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

Der Arbeitgeber muss all diese Daten für jeden vergleichbaren Arbeitnehmer ermitteln. Anschließend muss er denjenigen Arbeitnehmer auswählen, der diese Kriterien am wenigsten erfüllt.

Beispiel: Arbeitnehmer A und Arbeitnehmer B sind beide seit 20 Jahren im Betrieb tätig. Der B hat 2 Kinder. Der A ist ledig und kinderlos. Wer von beiden muss betriebsbedingt gekündigt werden?

Zwar sind beide Arbeitnehmer gleich lange für das Unternehmen tätig. Der B hat jedoch zusätzlich Unterhaltspflichten zu erfüllen. Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss daher zunächst dem A gekündigt werden.

Nicht in die Sozialauswahl einbezogen werden Arbeitnehmer, die wegen ihrer Fähigkeiten oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im Betrieb gebraucht werden. Diese sollen dem Arbeitgeber unabhängig von ihren Sozialdaten erhalten bleiben.

3. Was kann der Betriebsrat tun?

Wie auch bei der personen- oder verhaltensbedingten Kündigung ist der Betriebsrat vor der betriebsbedingten Kündigung des Arbeitnehmers anzuhören. Er erhält hier die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Die betriebsbedingte Kündigung unterliegt aber besonders hohen und fehleranfälligen Voraussetzungen. Der Betriebsrat kann die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung daher in weitem Umfang prüfen (§ 102 Abs. 2 BetrVG) und so den Arbeitnehmer vor einer ungerechtfertigten Kündigung schützen. Hält er die betriebsbedingte Kündigung für unbegründet, so kann er ihr widersprechen.

Wann kann der Betriebsrat widersprechen?

Im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung kann der Betriebsrat in folgenden Fällen widersprechen:

  • Der Arbeitgeber hat die Sozialauswahl nicht oder nicht fehlerfrei durchgeführt.
  • Es besteht eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers auf einem vergleichbaren Arbeitsplatz
  • Oder eine Weiterbeschäftigung ist zumindest nach Umschulung, Fortbildung oder Vertragsänderung möglich.

Kein Widerspruchsrecht besteht hingegen, wenn der Betriebsrat das Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses grundsätzlich in Frage stellt. In diesem Fall kann der Betriebsrat jedoch mit einem „Trick“ doch Widerspruch einlegen. Er kann nämlich geltend machen, dass zwar schon keine betrieblichen Erfordernisse vorliegen. Selbst wenn es solche gäbe, hätte der Arbeitgeber die Sozialauswahl aber nicht oder nicht richtig durchgeführt.

Die Sozialauswahl

Der Betriebsrat prüft also umfangreich, ob die Sozialauswahl wie oben beschrieben durchgeführt wurde und ob wirklich kein vergleichbarer Arbeitsplatz besteht.

Im Einzelfall gibt es in einem Unternehmen durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine Auswahlrichtlinie (§ 1 Abs. 4 KSchG). Diese gibt vor, wie die einzelnen Punkte im Rahmen der Sozialauswahl im Verhältnis zueinander zu bewerten sind. In diesem Fall kann der Betriebsrat auch prüfen, ob der Arbeitgeber sich an diese Auswahlrichtlinie gehalten hat und andernfalls der Kündigung widersprechen.

Sollte der Betriebsrat die Sozialauswahl des Arbeitgebers angreifen, so muss er konkret darlegen, warum diese fehlerhaft sein soll.

Hierzu folgender Beispielfall (Az. 5 AZR 305/02), der vor dem BAG verhandelt wurde:

Arbeitnehmer A ist in der Produktion für seinen Arbeitgeber B tätig. B wollte den Betriebsteil Produktion schließen und A daher entlassen. B war der Ansicht, dass aufgrund der Schließung der Produktion keine vergleichbaren Arbeitsplätze vorhanden seien und auf eine Sozialauswahl daher verzichtet werden könne. Der Betriebsrat widersprach dieser Kündigung, listete dem B die Sozialdaten des A auf und meinte pauschal, dass vergleichbare Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einbezogen worden sein. Genauere Angaben erfolgten nicht. Ist der Widerspruch des Betriebsrats wirksam?

Das BAG entschied, dass der Widerspruch des Betriebsrats unwirksam sei. Der Betriebsrat hätte die Arbeitnehmer, die nicht in die Sozialauswahl einbezogen worden seien, genau bezeichnen müssen. Ein pauschaler Verweis auf nicht einbezogene Arbeitnehmer genüge nicht, um einer betriebsbedingten Kündigung wirksam zu widersprechen. Auch müsse der Betriebsrat genau begründen, warum ein Arbeitnehmer sozial schutzwürdiger sei als ein anderer.

Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Auch bei Widerspruch aufgrund einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit genügt es nicht, dass der Betriebsrat pauschal annimmt, dass irgendwo im Unternehmen ein vergleichbarer Arbeitsplatz bestehe. Er kann auch nicht auf eine Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz verweisen. Der Betriebsrat muss in seinem Widerspruch daher einen anderen, vergleichbaren Arbeitsplatz genau bezeichnen.

Der Betriebsrat kann der Kündigung aber auch dann mitunter widersprechen, wenn es aktuell keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung auf einem vergleichbaren Arbeitsplatz gibt. Das kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer zumindest nach Umschulung oder Fortbildung auf einem anderen (auch nicht vergleichbaren) Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte.

In jedem Fall muss der Arbeitnehmer jedoch mit der geänderten Beschäftigung einverstanden sein.

Sozialplanverhandlungen

Plant der Arbeitgeber im Rahmen einer Betriebsänderungen mit einem umfangreichen Stellenabbau, kommt es meist zu Verhandlungen über einen sog. Sozialplan. Darin einigen sich Betriebsrat und Arbeitgeber darauf, wie die Nachteile der Entlassungen abgefedert werden können.

Hier kann der Betriebsrat maßgeblichen Einfluss nehmen. Sind Kündigungen im Rahmen einer Betriebsänderung nicht vermeidbar, einigt man sich häufig auf Abfindungen oder ähnliches.

4. Kann der Betriebsrat die Kündigung verhindern?

Der Widerspruch allein hat keine unmittelbaren Auswirkungen für Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. In erster Linie soll er den Arbeitgeber zum Nachdenken bewegen.

Klagt der Arbeitnehmer aber nun gegen die Kündigung und beantragt beim Arbeitgeber seine Weiterbeschäftigung, so muss dieser ihn bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts vorläufig auf seinem alten Arbeitsplatz weiterbeschäftigen.

Die betriebsbedingte Kündigung wird durch den Widerspruch des Betriebsrats also nicht unwirksam. Der Betriebsrat kann die Kündigung daher nicht eigenhändig verhindern. Der Arbeitnehmer kann aber mithilfe des Widerspruchs seine Arbeit bis zum Urteil des Gerichts bei voller Bezahlung weiter ausüben.

5. Fazit

  • Eine betriebsbedingte Kündigung erfolgt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher Erfordernisse nicht mehr weiterbeschäftigen kann.
  • Zweifelt der Betriebsrat an den Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung, so kann er ihr widersprechen. Dabei muss er genau darlegen, welche Punkte er angreift.
  • Eine Kündigung ist nur dann zulässig, wenn keine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem vergleichbaren Arbeitsplatz besteht.
  • Vor einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen.
  • Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und fehlerfreie Sozialauswahl können vom Betriebsrat überprüft werden.
  • Bei Widerspruch des Betriebsrats und Klage des Arbeitnehmers gegen die Kündigung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf sein Verlangen bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichtes weiterbeschäftigen.

6. Vorlage für Widerspruch des Betriebsrats gegen betriebsbedingte Kündigung

Dieses Muster können Sie kostenlos für den Widerspruch des Betriebsrats gegen eine betriebsbedingte Kündigung verwenden

WIDERSPRUCH GEGEN BEABSICHTIGTE (HILFSWEISE) BETRIEBSBEDINGTE ORDENTLICHE KÜNDIGUNG GEMÄß § 102 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3, 4 und 5 BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ

Der Betriebsrat legt hiermit ausdrücklich Widerspruch gegen die geplante (hilfsweise) betriebsbedingte ordentliche Kündigung ein:

  1. Kein Wegfall ursprüngliche Beschäftigung

Es besteht kein betriebliches Erfordernis für die geplante Kündigung. Die Beschäftigungsmöglichkeit ist nicht weggefallen, sondern besteht fort: …

  1. Falsche Sozialauswahl

Zudem wurde eine fehlerhafte Sozialauswahl getroffen. Schon die Gruppenbildung erscheint falsch. Die aufgeführten Arbeitnehmer sind nach Auffassung des Betriebsrats auf Grund ihrer Tätigkeit nicht vergleichbar (Oder: es hätten andere Arbeitnehmer mit in die Gruppe mit aufgenommen werden müssen: …) (Verstoß gegen Nr. 1)

Im Übrigen sind andere Arbeitnehmer weniger schutzwürdig. Dies betrifft zum Beispiel die Arbeitnehmer: … mit einer Betriebszugehörigkeit von …, Lebensalter …, Unterhaltspflichten …, Schwerbehinderung …. (Verstoß gegen Nr. 1)

Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie nach § 95 Betriebsverfassungsgesetz vor, weil … (Verstoß gegen Nr. 2)

  1. Verhältnismäßigkeit (Kein dringendes betriebliches Erfordernis)

Überdies wurde die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Es besteht ein Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf vergleichbarem anderem freiem Arbeitsplatz als … (Verstoß gegen Nr. 3).

Es besteht zudem ein Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach zumutbarer Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahme als … Die Maßnahme dauert … Hiernach besteht die Möglichkeit, auf dem freien Arbeitsplatz als …  (Verstoß gegen Nr. 4)

Zur Not bestünde auch eine

Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Änderungskündigung mit folgenden Bedingungen:

Arbeitszeit: …

Tätigkeit: …

Entgelt: …  (Verstoß gegen Nr. 5)

  1. Kündigungsfrist

Im Übrigen ist die Kündigungsfrist nicht gewahrt. Diese beträgt nach § 622 BGB/TV/AV … und endet am …

Daher bittet der Betriebsrat, die Entscheidung mit Blick auf den Widerspruch und die eingebrachten Bedenken noch einmal zu prüfen.

Wir weisen darauf hin, dass Sie im Falle einer Kündigung durch diesen Widerspruch auf Wunsch des Arbeitnehmers gemäß § 102 Abs. 5 Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet sind, diesen während eines eventuellen Kündigungsschutzprozesses bis zu einem rechtskräftigen Urteil zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Mit freundlichen Grüßen

Der Betriebsratsvorsitzende

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