Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Grundsätzen über das betriebliche Vorschlagswesen nach § 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG

Dieser Artikel beantwortet Fragen rund um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Grundsätzen über das betriebliche Vorschlagswesen.

1. Ausgangssituation

Arbeitgeber sind stets daran interessiert, dass der Betrieb ideal läuft und sich in allen Belangen fortdauernd bessert. Arbeitnehmer, als diejenigen die die tägliche Arbeit verrichten, können auch von sich aus Anregungen und Ideen äußern, wenn Sie der Ansicht sind, ihr Vorschlag könne im kaufmännischen, technischen, organisatorischen, sozialen oder in einem weiteren Bereich eine Verbesserung bezwecken.

2. Was ist ein betriebliches Vorschlagswesen?

Das betriebliche Vorschlagswesen meint sämtliche Verbesserungsvorschläge von Beschäftigten, die dem Zweck dienen, die betrieblichen Verhältnisse zu verbessern. Es dient dazu, Mitarbeiter zu motivieren an der Optimierung von Arbeitsabläufen mitzuwirken und sie bei Anwendung systematisch und methodisch belohnend wertzuschätzen. Für die Arbeitnehmer resultiert das also ggf. in Form einer Prämie, sowie der Anerkennung im Betrieb.

3. Mitbestimmung

Essentiell ist zunächst, dass der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber entscheidet, ob und in welcher Höhe Mittel für Verbesserungsvorschlägen zur Verfügung gestellt werden. Hierbei kann der Betriebsrat den Arbeitgeber nicht zwingen, Methoden oder Systeme zur entgeltlichen Wertschätzung von Verbesserungsvorschlägen zu integrieren.

Ein Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat erst, wenn der Arbeitgeber dafür Mittel zusichert. Die Aufgabe des Betriebsrats ist es dann, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei der Einführung und Aufstellung allgemeiner Grundsätze für das Einreichen, die Prüfung und die Bewertung der Vorschläge sowie für die Bemessung der Prämien mitzubestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG). Bei der Entscheidung über die Umsetzung der Vorschläge hat der Betriebsrat hingegen kein Mitbestimmungsrecht.

Relevant ist zudem, dass es sich um freiwillige Vorschläge der Beschäftigten handeln muss. Ist im Arbeitsvertrag die Pflicht zur Unterbreitung von Verbesserung durch den Arbeitnehmer festgehalten, so findet der § 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG keine Anwendung.

4. Grundsätze des Vorschlagswesens

Diese Grundsätze sollte der Betriebsrat vorzugsweise verhandeln:

  1. Wer ist vorschlagsberechtigt?
  2. Festlegung der Gebiete für Verbesserungsvorschläge: Auf welchen Gebieten sollen Vorschläge insbesondere gefördert werden? Wie können Arbeitnehmer zum Beisteuern und Mitdenken motiviert werden?
  3. Formalien der Einreichung eines Vorschlages: Wie und bei wem können Beschäftigte Verbesserungsvorschläge vorlegen?
  4. Bewertung des Nutzens für betriebliches Arbeiten: Wie wird ein konkreter Vorteil des Vorschlages für Arbeitgeber eingeschätzt und nach welchen Kriterien wird die Vergütung für einen umgesetzten Verbesserungsvorschlag ermittelt? Wie werden Vorschlägen honoriert, deren ökonomischer Vorteil für den Arbeitgeber nicht konkret messbar ist?
  5. Voraussetzungen für die Umsetzung: Wer entscheidet über Umsetzung eines Vorschlages? Wird dafür ein Gremium aus Betriebsrat und Arbeitgeber zu besetzendes gebildet?

Wie bereits erwähnt, hat der Betriebsrat lediglich bei der Aufstellung der Grundsätze für das betriebliche Vorschlagswesen ein Mitbestimmungsrecht (1. – 3. in obiger Aufzählung). Die Umsetzung ist dagegen dem Arbeitgeber überlassen und ist somit mitbestimmungsfrei (4. – 5. in obiger Aufzählung). In der Regel wird dafür eine paritätisch vom Betriebsrat und Arbeitgeber zu besetzendes Gremium gebildet, also eine Art gemeinsame Kommission aus beiden Interessenssphären. Das ist jedoch genau wie die Höhe der Vergütung mitbestimmungsfrei.

Sie sollten sich als Betriebsrat bei Unsicherheit oder Problematiken unbedingt von einem erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht beraten lassen. Die Anwälte der Betriebsratskanzlei – Fink & Partner haben auf dem Gebiet der Vertretung von Betriebsräten jahrelange Erfahrung und bieten ihnen eine Rundum-Betreuung in allen Rechtsfragen. Wir unterstützen Sie gerne beim Verhandeln von Betriebsvereinbarungen, bei Ihren Anliegen vor der Einigungsstelle und gegebenenfalls auch mit Unterlassungsanträgen bei Gericht.

5. Was noch zu beachten ist

Der Betriebsrat sollte versuchen, bei der Gestaltung einer Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Vorschlagswesen durch die Verhandlung von freiwilligen Vereinbarungen auch auf die Umsetzung der Vorschläge Einfluss zu nehmen, auch wenn dieser Bereich mitbestimmungsfrei ist. Im Rahmen des Gebots der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit sollten bei geschickter Verhandlung sehr wohl Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sein.

Der Betriebsrat hat bei der betrieblichen Lohngestaltung gemäß § 87 Abs.1 Nr. 10 BetrVG in Initiativrecht. Somit kann er aktiv dem Arbeitgeber Änderungen vorzuschlagen. Geht der Arbeitgeber hierauf nicht ein oder sollte es zu keiner Einigung kommen, kann der Betriebsrat in diesem Fall die Einigungsstelle hinzuziehen.
Außerdem liegt auch ohne eine Betriebsvereinbarung für betriebliche Verbesserungsvorschläge eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers vor. Soweit der Arbeitgeber einen vom Arbeitnehmer unterbreiteten Verbesserungsvorschlag umsetzt und hieraus einen wirtschaftlichen Vorteil zieht, hat er dem Arbeitnehmer eine entsprechende Vergütung zu bezahlen, § 242 BGB (so BAG, Urteil vom 30.04.1966, 3 AZR 291/63).

6. Zusammenfassung

  • Betriebliches Vorschlagswesen meint sämtliche Verbesserungsvorschläge von Beschäftigten.
  • Beinhaltet mitbestimmungspflichtige und -freie Elemente.
  • Mitbestimmungsfrei entscheidet der Arbeitgeber, ob und in welcher Höhe Mittel für Verbesserungsvorschlägen bereitgestellt werden.
  • Ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen hat der Betriebsrat erst, wenn der Arbeitgeber dafür Mittel zusichert
  • Aufgabe des Betriebsrats ist es, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, Grundsätzen festzulegen, nach denen Verbesserungsvorschläge geprüft, bewertet und vergütet werden.
  • Zu diesen Grundsätzen gehören z.B. Bildung eines paritätisch besetzten Bewertungskommission sowie Höhe der Vergütung.