Das erwartet den Betriebsrat bei der Beschwerde eines Arbeitnehmers

Arbeitnehmer können bei Benachteiligungen durch Arbeitgeber oder Arbeitskollegen jederzeit eine Beschwerde beim Arbeitgeber oder dem Betriebsrat einreichen. In diesem Beitrag erläutern wir, was Betriebsratsmitglieder über das Beschwerdeverfahren wissen müssen.

1. Wann und wie können Arbeitnehmer Beschwerde einlegen?

Fühlt sich ein Arbeitnehmer von seinem Vorgesetzten oder von Arbeitskollegen im Betrieb benachteiligt, ungerecht behandelt oder in anderer Weise beeinträchtigt, kann er sich beim Arbeitgeber oder dem Betriebsrat beschweren.

Mit einer Beschwerde kann also alles angeprangert werden, was sich für den Arbeitnehmer negativ auf die Arbeitsweise oder das Arbeitsklima auswirkt.

Beispiele:
 

  • Belastung mit unangenehmen, der vertraglichen Tätigkeit nicht angemessenen Aufgaben
  • Regelmäßige Vertretung anderer Arbeitnehmer
  • Häufige Beauftragung mit Botengängen
  • Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
  • Arbeitsüberlastung (permanente Überstunden oder Wegfall/Verkürzung von Pausen)
  • Mobbing am Arbeitsplatz oder sonstige Beleidigungen
  • Sexuelle Belästigung
  • Unhygienische oder sonst unzumutbare Arbeitsbedingungen (z.B. kalter Arbeitsplatz ohne Heizung im Winter)

Laut Betriebsverfassungsgesetz können sich Arbeitnehmer mit einer Beschwerde entweder an den Arbeitgeber selbst oder an den Betriebsrat wenden. In beiden Fällen muss die Beschwerde geprüft und beantwortet werden.

Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Beschwerde:

Beschwerde an den AG Beschwerde an den BR
Rechtsgrundlage § 84 BetrVG § 85 BetrVG
An wen zu richten? An den Arbeitgeber selbst, d.h.

  • den direkten Vorgesetzen
  • die Unternehmensleitung
  • oder eine zuständige Beschwerdestelle
An den Betriebsrat als Gesamtgremium (also nicht an ein einzelnes Betriebsratsmitglied)
Form der Beschwerde Keine Formvorgaben, Beschwerde kann also auch per E-Mail eingehen.
Beschwerdefrist
Beteiligung des Betriebsrats Grundsätzlich nein, Arbeitgeber kann aber ein einzelnes BR-Mitglied freiwillig zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen. BR ist im gesamten Beschwerdeverfahren unmittelbar beteiligt.
Verfahrensaussichten? Beseitigt der Arbeitgeber die Ursachen der Beschwerde nicht, muss der Arbeitnehmer ein neues Beschwerdeverfahren vor dem Betriebsrat einleiten oder Klage erheben.

Die Einigungsstelle kann nicht hinzugezogen werden.

Beseitigt der Arbeitgeber die Ursachen der Beschwerde nicht, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle hinzuziehen. Diese kann das Verfahren zwangsschlichten. Eine gerichtliche Klärung ist nicht mehr nötig.

Wo Arbeitnehmer ihre Beschwerde einreichen, ist grundsätzlich Geschmackssache. In Bezug auf den Inhalt der Beschwerde unterscheiden sich die beiden Varianten nicht. Häufig ist eine Beschwerde an den Betriebsrat aber sinnvoll, um so von Anfang an eine neutrale Partei in das Verfahren einzubeziehen. Meist kann der Betriebsrat Standpunkte der Arbeitnehmer besser nachvollziehen als der Arbeitgeber. Das gilt vor allem dann, wenn Gegenstand der Beschwerde eine vom Arbeitgeber verursachte Beeinträchtigung ist.

Eine Beschwerde vor dem Arbeitgeber lohnt sich meist bei kleineren Angelegenheiten, die intern und auf kurzem Weg geklärt werden können. Hier kann der „kurze Dienstweg“ das Arbeitsklima schützen, ohne dass dem Arbeitnehmer Nachteile drohen.

2. Wie läuft das Beschwerdeverfahren vor dem Betriebsrat ab?

Der Betriebsrat muss die Beschwerde eines Arbeitnehmers entgegennehmen, sich inhaltlich damit befassen und förmlich darüber beschließen, ob die Beschwerde begründet ist. Die Beschwerde muss grundsätzlich an den Betriebsrat als gesamtes Gremium gerichtet werden.

In Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat auch einen Ausschuss bilden, der für Arbeitnehmerbeschwerden zuständig ist. Arbeitnehmer können sich dann direkt an diesen wenden. Das Beschwerdeverfahren wird dann vom Ausschuss durchgeführt.

Sieht der Betriebsrat die Beschwerde als unberechtigt an, muss er deren Weiterverfolgung ablehnen und den Arbeitnehmer unter Angabe der Gründe schriftlich darüber informieren.

Hält der Betriebsrat die Beschwerde für begründet, muss er beim Arbeitgeber auf Beseitigung der Ursachen oder Gründe der Beschwerde hinwirken und den Arbeitnehmer regelmäßig über den Stand und das Ergebnis der Verhandlung mit dem Arbeitgeber unterrichten. Die Verhandlungen sind weder an eine Form noch an eine Frist gebunden. Der Betriebsrat muss allerdings darauf hinwirken, dass der Arbeitgeber eine Entscheidung über die Berechtigung der Beschwerde fällt.

Hält auch der Arbeitgeber die Beschwerde für begründet, ist er verpflichtet, den Beschwerdegrund zu beseitigen. Wie der Arbeitgeber dies umsetzt, muss er sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Betriebsrat mitteilen.

Hält der Arbeitgeber die Beschwerde für unbegründet, muss er das ebenfalls dem Arbeitnehmer und dem Betriebsrat mitteilen.

Weicht der Betriebsrat von diesem Verfahren ab, ist im äußersten Fall eine Auflösung des Betriebsrats möglich (§ 23 Abs. 1 BetrVG). Arbeitnehmer können die Durchführung des Beschwerdeverfahrens jedoch nicht einklagen.

3. Was ist zu tun, wenn die Beschwerde nicht weiterhilft?

Hat der Arbeitgeber der Beschwerde zugestimmt, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich nichts weiter unternehmen. Wird die Ursache der Beschwerde dann aber trotzdem nicht behoben, kann der Arbeitnehmer Klage erheben. Der Betriebsrat ist hierbei jedoch nicht mehr involviert.

Konnten sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Berechtigung einer Beschwerde nicht einigen, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Hierzu ist der Arbeitnehmer auf die Mithilfe des Betriebsrats angewiesen, denn Arbeitnehmer können die Einigungsstelle nicht selbst hinzuziehen. Die Einigungsstelle muss den Arbeitnehmer allerdings anhören.

Die Einigungsstelle entscheidet über die Beschwerde sodann in Form der „Zwangsschlichtung“. Sie trifft also eine verbindliche Entscheidung und ersetzt damit die gescheiterte Verhandlung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Sie entscheidet allerdings nur über die Berechtigung der Beschwerde, nicht wie der Arbeitgeber darauf reagieren muss.
Achtung: Die Einigungsstelle kann nicht hinzugezogen werden, wenn es um einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers geht, denn hierfür ist nur das Arbeitsgericht zuständig. Ändert der Arbeitgeber im Fall einer solchen Beschwerde trotz Beteiligung des Betriebsrats nichts an den Ursachen der Beschwerde, muss der Arbeitgeber also ein ordentliches Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht anstrengen.
Beispiel: Arbeitnehmer A hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine Sonderprämie, wenn er einen Mindestumsatz im Kalenderjahr erreicht. Arbeitgeber B ist der Meinung, dass die Umsätze des A nicht ausreichen. Er zahlt daher keine Prämie. A legt Beschwerde beim Betriebsrat ein. Dieser stimmt dem A zu, kann mit dem Arbeitgeber jedoch keine Einigung erzielen.
 
Der Betriebsrat kann hier die Einigungsstelle nicht anrufen, da Gegenstand der Beschwerde ein Anspruch aus dem Arbeitsvertrag des A ist. Diesen muss A vor dem Arbeitsgericht einklagen.

Der Betriebsrat sollte daher frühzeitig prüfen, ob der Beschwerdegegenstand überhaupt für ein Beschwerdeverfahren geeignet ist. Ist eine Zwangsschlichtung durch die Einigungsstelle von vornherein nicht möglich, kann dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls direkt zu einer Klage geraten werden.

4. Welche Risiken hat eine Beschwerde für den Arbeitnehmer?

Aus der Beschwerde dürfen dem Arbeitnehmer keine Nachteile entstehen, denn im Beschwerdeverfahren gilt für den Arbeitgeber ein sog. Maßregelungsverbot: Der Arbeitnehmer darf nicht benachteiligt werden, nur weil er seine Arbeitnehmerrechte wahrnimmt. Das gilt unabhängig davon, wo die Beschwerde eingereicht wurde und ob sie begründet ist.

Verändert sich die Arbeitsbeziehung nach der Beschwerde zum Nachteil des Arbeitnehmers (z.B. durch eine Versetzung oder Gehaltskürzung), können sich Arbeitnehmer dagegen mit einer Klage zur Wehr setzen. Auch Schadensersatzansprüche sind möglich. Der Betriebsrat ist in diesem Verfahren nicht mehr beteiligt, kann dem Arbeitnehmer aber beratend zur Seite stehen.

Anders als die Beschwerde vor dem Arbeitgeber kann die Beschwerde an den Betriebsrat auch anonym eingereicht werden. Der Betriebsrat kann in diesem Fall über die Beschwerde aber nur dann entscheiden, wenn dies ohne weitere Anhörung des Beschwerdeführers möglich ist und dabei keine Rechte Dritter verletzt werden. Andernfalls darf der Betriebsrat die Beschwerde sofort verwerfen. Selten wird der Betriebsrat schon auf Grundlage der Beschwerdeschrift eine sichere Entscheidung treffen können.

Hinweis: Die Beschwerde darf während der Arbeitszeit eingelegt werden, ohne dass dem Arbeitnehmer daraus ein finanzieller Nachteil entsteht. Der Arbeitgeber muss die volle Vergütung zahlen, auch wenn der Arbeitnehmer z.B. wegen einer Anhörung weniger gearbeitet hat. Der Arbeitnehmer muss diese Arbeitszeit auch nicht nacharbeiten.

Hat sich die Beschwerde erledigt oder will der Arbeitnehmer die Beschwerde nicht weiterverfolgen, kann sie jederzeit zurückgezogen werden. Der Betriebsrat muss das Verfahren dann sofort beenden. Das kann erforderlich sein, wenn der Arbeitnehmer kein Hinzuziehen der Einigungsstelle wünscht. Denn hierzu braucht der Betriebsrat die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht.

5. Fazit

  • Bei persönlichen Benachteiligungen, Belästigungen oder sonstigen Beeinträchtigungen durch den Arbeitgeber oder Arbeitskollegen können Arbeitnehmer Beschwerde einlegen.
  • Die Beschwerde kann direkt an den Arbeitgeber oder alternativ an den Betriebsrat gerichtet werden.
  • Bei einer Beschwerde an den Arbeitgeber kann ein Betriebsratsmitglied zur Unterstützung oder Vermittlung hinzugezogen werden.
  • Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich mit der Beschwerde auseinandersetzen und über ihre Berechtigung entscheiden.
  • Ist die Beschwerde begründet, muss der Betriebsrat beim Arbeitgeber auf Beseitigung der Ursache für die Beschwerde hinwirken.
  • Stimmt der Arbeitgeber der Beschwerde zu, muss er den Grund der Beschwerde beseitigen.
  • Stimmt der Arbeitgeber nicht zu, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle um Entscheidung anrufen. Diese entscheidet verbindlich, ob die Beschwerde begründet ist. Sie kann jedoch nicht vorschreiben, wie der Arbeitgeber vorgehen muss