Die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Gesundheitsschutz nach § 87 I Nr. 7 BetrVG

Dieser Artikel thematisiert das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Er beantwortet auch die Frage, welche Mitbestimmungsrechte der Betriebsrat allgemein beim Gesundheitsschutz im Betrieb hat.

1. Ausgangssituation

Die Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats sind je nach Bereich unterschiedlich stark ausgeprägt. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift des vierten Teils des Betriebsverfassungsgesetzes. Das Gesetz spricht dort zum einen von „Mitbestimmung“, zum anderen nur von „Mitwirkung“. Im täglichen Sprachgebrauch wird zwar oft allgemein von „Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats“ gesprochen, allerdings stellen die meisten Rechte des Betriebsrats nur Mitwirkungsrechte dar, etwa in Form von Informations- und sonstigen Beteiligungsrechten.

Die wichtigsten Gestaltungsmöglichkeiten stehen dem Betriebsrat hingegen im Rahmen der echten Mitbestimmung zu. Bei diesen darf der Arbeitgeber die von ihm geplanten Maßnahmen nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrats durchführen. Hierzu zählen vor allem die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 BetrVG. Wer diese Rechte geschickt einzusetzen weiß, kann in vielen Fällen auf Augenhöhe mit seinem Arbeitgeber verhandeln.

2. Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Mitbestimmungsrecht?

Ziel des § 87 I Nr. 7 BetrVG ist es, einen möglichst hohen Arbeits- und Gesundheitsschutz im Betrieb zu gewährleisten. Das Mitbestimmungsrecht besteht jedoch nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Unfallverhütungsvorschriften (UVV). Es ist allgemein an vier Voraussetzungen geknüpft:

Gesetzliche Regelungen

Es müssen zunächst gesetzliche Regelungen existieren, auf die das Mitbestimmungsrecht gestützt werden kann. Zu den gesetzlichen Regelungen zählen Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Unfallverhütungsvorschriften. Wichtige Regelungen sind zum Beispiel das Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitssicherheitsgesetz.

Gestaltungsspielraum

Die gesetzlichen Regelungen müssen dem Arbeitgeber einen Gestaltungsspielraum auf der Rechtsfolgenseite einräumen. Der Arbeitgeber muss also grundsätzlich die Möglichkeit haben, mehrere Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Handelt es sich dagegen um die Frage, ob überhaupt eine Pflicht des Arbeitgebers zu Maßnahmen des Gesundheitsschutzes besteht, also ob der Tatbestand der Schutznorm erfüllt ist, so ist dies keine Frage der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

Kein zusätzlicher Schutz

Das Mitbestimmungsrecht steht dem Betriebsrat nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu. Ziel des § 87 I Nr. 7 BetrVG ist es, das gesetzlich vorgeschriebene Schutzniveau zu gewährleisten, nicht das gesetzliche Schutzniveau zusätzlich zu erhöhen. Über die bestehenden Regelungen hinaus kann der Betriebsrat also keine zusätzlichen Maßnahmen verlangen.

Keine Einzelfallregelungen

Das Mitbestimmungsrecht erfasst nur allgemeine, generelle Regelungen. Regelungen für Einzelfälle unterliegen hingegen nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

3. Wie weit reichen die Mitbestimmungsrechte?

Der Betriebsrat hat neben den Schutzmaßnahmen auch bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ein Mitbestimmungsrecht. Dies betrifft die durchaus wichtige Frage, wie, wann und von wem sie durchgeführt wird. Inhalt der Gefährdungsbeurteilung sollten nicht nur klassische Sicherheitsfragen von Maschinen und Anlagen sein, sondern auch die Ermittlung psychischer Belastungen wie Stress, Überlastung, Leistungsdruck und Führungsstil. Psychische Belastungen sind zunehmend die Ursache stetig steigender Erkrankungen und können daher auch ein mitbestimmungspflichtiges Gesundheitsrisiko im Unternehmen darstellen.

Der Betriebsrat ist darüber hinaus auch bei der Auswahl von Betriebsärzten und Arbeitssicherheitsfachkräften zu beteiligen. Er hat zudem ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, Krankenrückkehr- und BEM-Gespräche im Betrieb einzuführen.

4. Zwei Praxisbeispiele

Bildschirmarbeit

Der Betriebsrat kann aufgrund seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 120a GewO und Art. 7 der EG-Bildschirmrichtlinie (90/270/EWG) betriebliche Regelungen über die Unterbrechung von Bildschirmarbeit durch andere Tätigkeiten oder Pausen verlangen. Er kann dagegen nicht verlangen, dass betriebliche Regelungen über Augenuntersuchungen der an Bildschirmen beschäftigten Arbeitnehmer getroffen werden (BAG Beschluss vom 02.04.1996 – 1 ABR 47/95).

Mobilfunkantennen

Wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, eine Mobilfunkantenne auf dem Dach eines Betriebsgebäudes zu installieren, so hat der Betriebsrat hierbei kein Mitbestimmungsrecht. Das Mitbestimmungsrecht greift hier nicht ein, da den Beschäftigten keine gesundheitliche Beeinträchtigung droht (LAG Nürnberg Beschluss vom 04.02.2003, 6 TaBv 39/01).

5. Wie sollten Betriebsräte im Konfliktfall vorgehen?

Missachtet der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 I Nr. 7 BetrVG, ergeben sich für ihn im Gegensatz zu anderen Nummern der Norm keine Konsequenzen auf individualvertraglicher Ebene. Ein Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmer nur wegen eines Verstoßes gegen das Mitbestimmungsrecht besteht nicht. Hierfür wäre ein objektiver Verstoß gegen Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes erforderlich, den der Arbeitnehmer im Konfliktfall zu beweisen hätte.

Kollektivrechtlich stehen dem Betriebsrat bei der Übergehung seiner Mitbestimmungsrechte zwei sehr relevante Ansprüche gegen den Arbeitgeber zu. Zum einen ist dies der allgemeine Unterlassungsanspruch nach § 87 BetrVG. Zum anderen kann der Betriebsrat auch gem. § 23 III 1 Alt. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dass der Arbeitgeber bestimmte Handlungen vorzunehmen, zu dulden oder zu unterlassen hat. Handelt der Arbeitgeber dieser gerichtlichen Entscheidung zuwider, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht den Antrag stellen, diesen wegen der Zuwiderhandlung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen.

Lassen Sie sich als Betriebsrat in Konfliktfällen unbedingt von einem erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht beraten. Die Anwälte der Betriebsratskanzlei – Fink & Partner verfügen über jahrelange Erfahrung bei der Vertretung von Betriebsräten und bieten ihnen eine Rundum-Betreuung in allen Rechtsfragen. Wir unterstützen Sie gerne beim Verhandeln von Betriebsvereinbarungen, bei Ihren Anliegen vor der Einigungsstelle und ggf. auch mit Unterlassungsanträgen bei Gericht.

6. Zusammenfassung

  • die wichtigsten Gestaltungsmöglichkeiten stehen dem Betriebsrat im Rahmen der echten Mitbestimmung zu
  • Ziel des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist ein möglichst hoher Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • das Mitbestimmungsrecht hat vier Voraussetzungen: Gesetzliche Regelung, Gestaltungsspielraum, kein zusätzlicher Schutz, keine Einzelfallregelung
  • neben Schutzmaßnahmen ist auch die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen mitbestimmungspflichtig
  • auch die Auswahl von Betriebsärzten und Arbeitssicherheitsfachkräften ist mitbestimmungspflichtig
  • ein Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitnehmer besteht grundsätzlich nicht
  • kollektivrechtlich hat der Betriebsrat den wichtigen Anspruch gem. § 23 III 1 Alt. 1 BetrVG
  • bei Zuwiderhandlungen gegen arbeitsgerichtliche Urteile kann die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld verlangt werden
  • lassen Sie sich in Konfliktfällen unbedingt von einem Anwalt beraten