1. Wann muss der Betriebsrat beteiligt werden?
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Dienst- und Schichtplänen ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit.
Arbeitszeit meint in diesem Kontext den Zeitraum, in welchem der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat.
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind sehr weitreichend. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zustimmung des Betriebsrats eine zwingende Voraussetzung, wenn es um die Festlegung der Arbeitszeiten geht (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urt. v. 5.7.1976 – 5 AZR 264/75). Kommt diese Zustimmung nicht zustande, muss eine Einigungsstelle eingeschaltet werden.
Auch die Frage, ob im Betrieb überhaupt in mehreren Schichten gearbeitet werden soll, unterfällt dem Mitbestimmungsrecht. Hier kann der Betriebsrat bei vielen Entscheidungen des Arbeitgebers mitbestimmen und diese sogar blockieren, wenn keine Einigung erzielt wird. Dies gilt sogar dann, wenn hierdurch Ladenöffnungszeiten des Betriebs betroffen sind (BAG, Beschl. v. 31.8.1982 – 1 ABR 27/80).
Klassische Fälle sind:
- Erstellung und Änderung von Dienst- und Schichtplänen
- Einführung von Gleitzeit- oder Wechselschichtmodellen
- Festlegung von Wochenend-, Feiertags- und Bereitschaftsdiensten
Das Mitbestimmungsrecht gilt auch für Teilzeitbeschäftigte und besteht unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Pläne für einzelne Mitarbeiter, Teams oder den gesamten Betrieb aufstellt.
Das Mitbestimmungsrecht greift auch bei der erstmaligen Einführung oder der grundlegenden Änderung von Arbeitszeitmodellen, etwa wenn von einer festen auf eine flexible Arbeitszeit umgestellt wird. Auch bei der Einführung oder Änderung von
- Bereitschaftsdiensten,
- Rufbereitschaft oder
- Arbeitsbereitschaft
ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen.
Zudem umfasst das Mitbestimmungsrecht nicht nur die Erstellung, sondern auch die Überwachung der Einhaltung von Dienst- und Schichtplänen. Änderungen, die kurzfristig aufgrund von Krankheit, Urlaub oder betrieblichem Mehrbedarf erforderlich werden, dürfen ebenfalls nur mit Zustimmung des Betriebsrats umgesetzt werden.
2. Was umfasst das Mitbestimmungsrecht konkret?
Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich der Freizeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen (BAG, Beschl. v. 15.12.1992 – 1 ABR 38/92).
Daraus folgt, dass das Mitbestimmungsrecht nicht auf allgemeine Grundsatzfragen beschränkt ist, sondern auch die praktische Umsetzung im Betriebsalltag umfasst.
Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nicht nur auf die abstrakten Regelungen zur Arbeitszeit, sondern konkret auf die tatsächliche Einteilung der Arbeitnehmer. Der Betriebsrat kann also bei der
- Aufstellung,
- Änderung und
- Umsetzung
von Dienst- und Schichtplänen mitwirken.
Typische Beispiele:
- Verteilung der Arbeitnehmer im Schicht- bzw. Dienstplan
- Beginn und Ende einzelner Schichten
- Pausenverteilung
- Verteilung des Wochenend- und Feiertagdienstes
- Verteilung der Arbeitnehmer im Sonntagsverkauf, soweit dieser gesetzlich zulässig ist
- Ersatzruhetage
- Arbeitsbefreiung an bestimmten Tagen im Jahreszyklus
Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auch auf die Festlegung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sowie auf Beginn und Ende der Pausen und der Schichten. Es umfasst außerdem die Frage, wie viele Arbeitnehmer zu welchen Zeiten eingesetzt werden (Personalstärke pro Schicht) und wie die Verteilung auf einzelne Arbeitsbereiche erfolgt.
Zustimmungsverweigerung durch Betriebsrat
Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu Dienst- oder Schichtplänen grundsätzlich ohne Angabe von Gründen verweigern.
Setzt der Arbeitgeber die Schicht- oder Dienstpläne trotz verweigerter Zustimmung des Betriebsrats um, kann dieser beim Arbeitsgericht Unterlassung beantragen (§ 23 Abs. 3 BetrVG). In der Praxis sollte der Betriebsrat den Arbeitgeber allerdings zunächst schriftlich auf die fehlende Zustimmung hinweisen und auffordern, die Umsetzung zu unterlassen. Erfolgt keine Reaktion, sollten unverzüglich gerichtliche Schritte zur Durchsetzung des Mitbestimmungsrechts eingeleitet werden.
Grenze: Rechtsmissbräuchliche Zustimmungsverweigerung
Eine Verweigerung der Zustimmung ist jedoch nicht grenzenlos möglich. Sie ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie ohne sachlichen Grund erfolgt oder offensichtlich dazu dient, den Arbeitgeber in anderen Angelegenheiten unter Druck zu setzen. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit.
3. Welche Grenzen bestehen?
Keine Mitbestimmung besteht:
- Bei der Festlegung des generellen Arbeitszeitrahmens (Beispiel: 40-Stunden-Woche), wenn dieser bereits gesetzlich, tariflich oder einzelvertraglich vorgegeben ist.
- Bei der personellen Auswahl einzelner Arbeitnehmer für bestimmte Aufgaben (Direktionsrecht), sofern keine kollektiven Auswirkungen auf die Arbeitszeitgestaltung vorliegen.
Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts besteht, wenn zwingende betriebliche Gründe vorliegen, etwa wenn eine bestimmte Qualifikation oder eine spezielle gesetzliche Anforderung (Beispiel: Jugendschutz, Mutterschutz) die Besetzung einer Schicht vorgibt. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber entsprechende Vorgaben machen, muss aber bei der konkreten Zuordnung der Mitarbeiter weiterhin den Betriebsrat beteiligen.
Not- und Eilfälle
Auch bei sogenannten Eilfällen – etwa bei unvorhersehbarem Personalausfall oder plötzlich erforderlichen Überstunden wegen eines unerwarteten und kurzfristig zu erledigenden Auftrags – bleibt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vollumfänglich bestehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschl. v. 05.03.1974 – 1 ABR 28/73; BAG, Beschl. v. 19.02.1991 – 1 ABR 31/90) darf der Arbeitgeber nämlich auch in dringenden Fällen nicht einseitig handeln, sondern muss den Betriebsrat
- unverzüglich und umfassend informieren und
- eine schnelle, möglichst formlose Einigung anstreben.
Ohne eine Einigung darf der Arbeitgeber keine vorläufigen Maßnahmen anordnen. Die Berufung auf einen Eilfall darf nicht dazu dienen, das Mitbestimmungsrecht zu umgehen – im Gegenteil: Die Rechtsprechung sieht hier eine besonders enge Kontrolle vor.
Hingegen entfällt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in echten Notfällen: Ein Notfall liegt vor, wenn eine plötzlich eintretende, unvorhersehbare und schwerwiegende Situation – wie Brand, Überschwemmung oder andere Katastrophen – nur durch sofortiges Handeln abgewendet werden kann, um nicht wiedergutzumachende Schäden zu verhindern. In solchen Extremsituationen darf der Arbeitgeber ausnahmsweise auch ohne Beteiligung des Betriebsrats tätig werden.
4. Wie läuft das Mitbestimmungsverfahren ab?
Bevor Dienst- und Schichtpläne im Betrieb umgesetzt werden können, muss ein klar geregeltes Mitbestimmungsverfahren durchlaufen werden.
Dieses Verfahren gliedert sich in mehrere Schritte:
- Information und Beratung: Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über geplante Dienst- und Schichtpläne informieren. Der Betriebsrat kann Vorschläge unterbreiten und Änderungen verlangen.
- Einigungsversuch: Kommt es zu keiner Einigung, ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit dem Betriebsrat zu verhandeln und eine Lösung zu suchen.
- Einigungsstelle: Scheitern die Verhandlungen, kann jede Seite die Einigungsstelle anrufen. Die Einigungsstelle entscheidet dann verbindlich.
In der Praxis empfiehlt es sich, das Verfahren zur Aufstellung und Änderung von Dienst- und Schichtplänen in einer Betriebsvereinbarung zu regeln. Hier können Abläufe, Fristen und Zuständigkeiten klar definiert werden, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat alle erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen, damit dieser seine Rechte sachgerecht ausüben kann. Dazu gehören etwa Übersichten zu geplanten Einsätzen, Personalbedarf oder betriebliche Notwendigkeiten.
5. Was passiert bei Streitigkeiten?
Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet die Einigungsstelle. Deren Spruch ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und ist verbindlich (§ 76 BetrVG).
Wenn die Einsetzung einer Einigungsstelle ebenfalls scheitert, können beide Parteien einen Antrag an das Arbeitsgericht zur Einsetzung einer Einigungsstelle stellen.
Die Einigungsstelle ist ein paritätisch besetztes Gremium, das grundsätzlich aus
- Vertretern des Arbeitgebers und
- des Betriebsrats sowie
- einem neutralen Vorsitzenden besteht.
Sie entscheidet verbindlich über die strittigen Punkte. In der Praxis ist der Spruch der Einigungsstelle für beide Seiten bindend und ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Wird eine Einigungsstelle angerufen, können beide Seiten Vorschläge einbringen und Argumente austauschen. Ziel ist es, eine ausgewogene und für den Betrieb tragfähige Lösung zu finden.
6. Fazit
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Dienst- und Schichtplänen ist in der Praxis besonders effektiv und weitreichend. Jeder einzelne Dienst- oder Schichtplan – und jede Änderung daran – benötigt die vorherige Zustimmung des Betriebsrats. Ohne diese Zustimmung kann der Arbeitgeber keine Pläne umsetzen, sondern muss im Streitfall die Einigungsstelle anrufen. Damit hat der Betriebsrat in diesem Bereich ein echtes Vetorecht und kann Arbeitgeberentscheidungen wirksam blockieren.
- Der Betriebsrat hat bei der Erstellung und Änderung von Dienst- und Schichtplänen ein zwingendes Mitbestimmungsrecht und kann Arbeitgeberentscheidungen durch Ausübung dieses Rechts blockieren.
- Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf die konkrete Verteilung und Einteilung der Arbeitszeit, nicht nur auf abstrakte Regelungen.
- Gesetzliche und tarifliche Vorgaben haben allerdings Vorrang und setzen dem Mitbestimmungsrecht Grenzen.
- Dienst- und Schichtpläne dürfen ohne Zustimmung des Betriebsrats oder vor Abschluss der Einigungsstelle nicht einseitig durch den Arbeitgeber umgesetzt werden.
- Bei Streitigkeiten entscheidet die Einigungsstelle verbindlich.
Gerade weil jede einzelne Schichteinteilung die Zustimmung des Betriebsrats erfordert, ist dieses Mitbestimmungsrecht eines der wirkungsvollsten Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung.