Anhörung, Widerspruch und Zustimmung des Betriebsrats bei einer Kündigung

In diesem Beitrag erklären wir Ihnen ausführlich, wie der Betriebsrat im Rahmen der Kündigung eines Arbeitnehmers mitwirkt.

Übrigens: Nicht jedes Unternehmen hat einen Betriebsrat. Wo kein Betriebsrat existiert, bestehen natürlich keine Mitbestimmungsrechte. Der Arbeitgeber kann dann ohne Anhörung etc. kündigen.

1. Muss der Betriebsrat zu einer Kündigung angehört werden?

Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber zunächst den Betriebsrat anhören.

Der Betriebsrat ist die Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betrieb und soll daher die Möglichkeit erhalten, sich zur Kündigung zu äußern.

Eine Stellungnahme des Betriebsrats ist aber nur möglich, wenn dieser auch umfassend über die Kündigung informiert wurde. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat daher vor der Anhörung die Gründe der Kündigung darlegen, damit dieser sich selbst ein Bild über die Rechtmäßigkeit der Kündigung machen kann.  Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat daher über die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers in Kenntnis setzen und ihm erläutern, auf welche Umstände er die Kündigung stützt.

  • Hierzu gehören bei verhaltensbedingten Kündigungen neben vorherige Abmahnungen auch Stellungnahmen des Arbeitnehmers und entlastende Umstände.
  • Bei betriebsbedingten Kündigungen hat der Arbeitgeber hingegen die von ihm durchgeführte Sozialauswahl und die Sozialdaten des Arbeitnehmers (z.B. Unterhaltspflichten) darzustellen.
  • Bei einer krankheitsbedingten Kündigung müssen dem Betriebsrat Fehlzeiten und eine Prognose der zukünftigen Ausfälle mitgeteilt werden.

Auch muss der Arbeitgeber mitteilen, auf welche Art er den Arbeitnehmer kündigen möchte, ob ein Kündigungsschutz und welche Kündigungsfrist besteht und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis aufgelöst werden soll.

Diese Anhörung ist gesetzlich in § 102 I Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) festgelegt und steht somit nicht im Ermessen des Arbeitgebers. Sie muss ohne Wenn und Aber durchgeführt werden.

Unterlässt der Arbeitgeber die Anhörung des Betriebsrats, ist die Kündigung unwirksam.

Allerdings führt nicht nur das gänzliche Ausbleiben der Anhörung zur Unwirksamkeit der Kündigung. Auch, wenn der Betriebsrat nicht richtig angehört wurde, kann der Arbeitnehmer sich erfolgreich gegen die Kündigung wehren.

Beispiel: Der Arbeitgeber stützt die Kündigung vor Gericht auf einen anderen Grund, als den, den er in der Anhörung des Betriebsrats angegeben hat.

Das Anhörungsverfahren muss vollständig abgeschlossen sein, bevor der Arbeitgeber die Kündigung ausspricht.

Beispiel: Arbeitgeber A will einem Arbeitnehmer kündigen. Er schreibt dem Betriebsrat daher einen kurzen Brief und kündigt dem Arbeitnehmer anschließend. Ist die Kündigung wirksam?

Nein, zwar hat A den Betriebsrat informiert, jedoch nicht angehört. Die Anhörung muss komplett abgeschlossen sein, bevor die Kündigung erfolgt.

Aber Achtung: Eine Anhörung des Betriebsrats ist zwar vor jeder Kündigung nötig, nicht aber vor einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag, Befristung oder Eigenkündigung des Arbeitnehmers.

Beispiel: Arbeitgeber A möchte Arbeitnehmer B kündigen. Dieser ist ihm unsympathisch. Einen Kündigungsgrund hat A aber nicht. Er überredet den B daher, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Der Betriebsrat erfährt hiervon nichts. Ist das Arbeitsverhältnis aufgelöst?

Ja. Bei einem Aufhebungsvertrag muss der Betriebsrat nicht angehört werden, da es sich hier nicht um eine Kündigung, sondern um eine einvernehmliche Vertragsauflösung handelt.

Der Arbeitnehmer sollte sich daher bewusst sein, dass er bei Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags auf den Schutz des Betriebsrats verzichtet.

2. Ist eine Kündigung ohne Zustimmung des Betriebsrats möglich?

Der Betriebsrat muss einer Kündigung grundsätzlich nicht zustimmen, damit sie wirksam wird.

Es muss zwischen Anhörung und Zustimmung unterschieden werden. Der Betriebsrat muss nur angehört werden. Es ist hingegen in den allermeisten Fällen nicht erforderlich, dass er der Kündigung „seinen Segen gibt“ und zustimmt.

Dies kann lediglich im Einzelfall zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber in Form einer Betriebsvereinbarung anders vereinbart werden (§ 102 VI BetrVG).

Auch muss der Betriebsrat bei der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung eines

  • Betriebsratsmitglieds,
  • eines Mitgliedes der Schwerbehindertenvertretung,
  • des Wahlvorstands,
  • eines Wahlbewerbers
  • oder eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung

zustimmen (§ 103 BetrVG). Diese Personen sollen aufgrund ihrer Position im Unternehmen besonders geschützt werden. Versagt der Betriebsrat seine Zustimmung, muss der Arbeitgeber sich an das Arbeitsgericht wenden.

3. Wie kann der Betriebsrat auf eine bevorstehende Kündigung reagieren?

Zunächst gibt der Betriebsrat dem Arbeitnehmer, sofern dies erforderlich erscheint, die Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern.

Anschließend stehen dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung mehrere Reaktionsmöglichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber zur Verfügung:

  • Er kann dem Arbeitgeber mitteilen, dass er der Kündigung zustimmt.
  • Er kann schweigen.
  • Er kann nach weiteren Informationen fragen.
  • Er kann Bedenken äußern.
  • Er kann der Kündigung widersprechen.
Sowohl bloße Bedenken als auch ein Widerspruch müssen dem Arbeitgeber bei einer ordentlichen Kündigung innerhalb von einer Woche, bei einer fristlosen außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Tagen schriftlich mitgeteilt werden.

Diese Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag der Anhörung. Schweigt der Betriebsrat bis zum Fristablauf, gilt dies als Zustimmung zur Kündigung. Der Arbeitgeber muss mit der Kündigung bis zum Ablauf der Frist warten, denn erst dann ist das Anhörungsverfahren abgeschlossen. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.

4. Was passiert bei Bedenken des Betriebsrats?

Äußert der Betriebsrat Bedenken gegenüber der Kündigung, so teilt er dem Arbeitgeber mit, dass er die Kündigung aus verschiedenen Gesichtspunkten für nicht gerechtfertigt hält oder zumindest Zweifel an der Rechtfertigung hat.

Verbindliche Rechtsfolgen ergeben sich aus dieser Äußerung für den Arbeitgeber aber nicht. Er kann durch die Bedenken des Betriebsrats jedoch dazu angehalten werden, noch einmal über die Kündigung nachzudenken und deren Voraussetzungen zu prüfen. Auch sind Bedenken des Betriebsrats für den Arbeitnehmer mitunter ein Indiz, dass eine Kündigungsschutzklage vor Gericht Aussicht auf Erfolg haben könnte.

Der Arbeitgeber kann sich jedoch ohne weiteres über die Bedenken des Betriebsrats hinwegsetzen und dem Arbeitnehmer kündigen.

5. Wie wirkt der Widerspruch gegen eine Kündigung?

Weit größere Wirkung als bloße Bedenken hat ein Widerspruch des Betriebsrats.

Aber Achtung: Bei einer außerordentlichen Kündigung kann der Betriebsrat lediglich Bedenken äußern. Nur bei einer ordentlichen Kündigung kann der Betriebsrat der Kündigung widersprechen!

Während Bedenken aus jedem beliebigen Grund geäußert werden können, kann der Widerspruch nur in folgenden Fällen erklärt werden:

  • Dem Arbeitnehmer wurde betriebsbedingt gekündigt und der Arbeitgeber hat soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt.
  • Die Kündigung verstößt gegen eine Auswahlrichtlinie im Betrieb (§ 95 BetrVG). Dabei handelt es sich um betriebsinterne Auswahlkriterien, die z.B. für eine Kündigung erfüllt sein müssen.
  • Der Arbeitnehmer könnte an einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen weiterarbeiten. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitsplatz an einem anderen Standort des Unternehmens ist.
  • Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers wäre nach Umschulung oder Fortbildung möglich und der Arbeitnehmer ist hierzu bereit.
  • Die Weiterbeschäftigung wäre zu anderen Vertragsbedingungen möglich und der Arbeitnehmer ist mit der Änderung seines Arbeitsvertrags

Der Widerspruch des Betriebsrats sollte hierbei möglichst umfassend schriftlich darlegen, warum die Kündigung ungerechtfertigt ist. Ein bloßer Verweis auf das Gesetz genügt nicht.

Beispiel: Arbeitgeber A kündigt dem Arbeitnehmer B. Der Betriebsrat widerspricht der Kündigung mit den Worten: „Die Kündigung ist ungerechtfertigt. Der B kann an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden“. Ist dieser Widerspruch wirksam?

Der Widerspruch ist unwirksam. Der Betriebsrat stellt lediglich eine pauschale Vermutung an und gibt den Gesetzeswortlaut wieder. Er muss zumindest ein Mindestmaß an Argumentation vorbringen.

Hat der Betriebsrat der Kündigung widersprochen, so ist der Arbeitgeber zunächst dazu angehalten, über die Kündigung und den Widerspruch nachzudenken. Bleibt der Arbeitgeber bei der Kündigung, so ist der Arbeitnehmer über den Widerspruch zu informieren.

Nun ist der Arbeitnehmer am Zug: Er kann – wie immer – vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung klagen. Eine Klage ist dem Arbeitnehmer bei Widerspruch des Betriebsrats auch dringend zu empfehlen.

Widerspricht der Betriebsrat der Kündigung und der Arbeitnehmer klagt gegen diese, so muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zum Abschluss des Rechtsstreits weiterbeschäftigen – sofern der Arbeitnehmer dies ausdrücklich verlangt.

Die Arbeitsbedingungen müssen hierbei unverändert bleiben. Der Arbeitnehmer erhält daher weiterhin Gehalt und kann seine alte Arbeit zunächst wieder aufnehmen.

Das Arbeitsgericht kann den Arbeitgeber nur ausnahmsweise in den folgenden Fällen von der Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entbinden:

  • Das Arbeitsgericht sieht die Kündigungsschutzklage als aussichtslos an.
  • Die Weiterbeschäftigung wäre eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber.
  • Der Widerspruch des Betriebsrats ist ganz offensichtlich nicht gerechtfertigt.

Hierbei handelt es sich jedoch um Ausnahmefälle. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer bei Widerspruch des Betriebsrats weiterbeschäftigt werden.

6. Gilt dies auch bei leitenden Angestellten?

Bei leitenden Angestellten wird der Betriebsrat lediglich durch den Arbeitgeber von der beabsichtigten Kündigung in Kenntnis gesetzt (§ 105 BetrVG).

Der Betriebsrat muss aber nicht angehört werden und hat daher auch nicht die Möglichkeit, Bedenken zu äußern oder Widerspruch gegen die Kündigung einzulegen. Schließlich ist der Betriebsrat für leitende Angestellte grundsätzlich nicht zuständig.

Allerdings kann ein sog. Sprecherausschuss teilweise die Funktionen übernehmen, die der Betriebsrat für die übrige Belegschaft hat.

Ist ein Sprecherausschuss gebildet, muss er zur Kündigung eines leitenden Angestellten wie ein Betriebsrat angehört werden. Ein Widerspruchsrecht hat er allerdings nicht.

7. Fazit

  • Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat von jeder Kündigung in Kenntnis setzen und ihm die wesentlichen Gründe der Kündigung und die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers mitteilen.
  • Der Betriebsrat muss im Anschluss zur Kündigung angehört werden.
  • Eine Kündigung ist grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Betriebsrats wirksam.
  • Der Betriebsrat kann aber innerhalb einer Woche Bedenken gegen die Kündigung äußern. Rechtliche Folgen hat dies jedoch nicht.
  • In bestimmten Fällen kann der Betriebsrat bei einer ordentlichen Kündigung der Kündigung widersprechen. Erhebt der Arbeitnehmer dann Kündigungsschutzklage, so muss er vom Arbeitgeber grundsätzlich bis zum Ende des Rechtsstreits weiterbeschäftigt werden.

8. Strategiepapier für Betriebsräte

Man kann schnell den Überblick darüber verlieren, was ein Betriebsrat bei einer Kündigung alles bedenken muss. Dieses Strategiepapier soll dabei helfen, die Orientierung zu behalten.

  1. Eingangsstempel
  2. Zwei Fristen notieren:
    • 3-Tagesfrist außerordentliche Kündigung
    • 1-Wochenfrist ordentliche Kündigung – (Sa, So, Feiertag am Ende zählt nicht mit)
  1. Betriebsratssitzung vom Vorsitzenden einzuberufen
    • Tagesordnung auf Einladung
  1. Gespräch mit Beteiligten / Zeugen
    • Arbeitnehmer über 3 Wochen Klagefrist aufklären
  1. Beschlussfassung

a) außerordentliche Kündigung: Bedenken äußern

  • Einhaltung Kündigungserklärungsfrist, § 626 II BGB:
  • 2 Wochen nach Kenntnis kündigungsberechtigte Person?
  • (notwendige Sachverhaltsaufklärung hemmt Frist)
  • (3-Tages-Anhörungsfrist stoppt Frist nicht)
  • wichtiger Grund:
    • Bewiesen?
    • Oder dringender Verdacht schwerwiegende Pflichtverletzung und weitere Aufklärung nicht möglich?
    • Fortführung Arbeitsverhältnis nur 1 Tag länger unzumutbar?
  • Verhältnismäßigkeit:
    • Abmahnungen?
    • Wiederholungsgefahr?
    • milderes gleich geeignetes Mittel?
    • besondere persönliche Härte?

b) ordentliche Kündigung: Widerspruch, § 102 III BetrVG/ (ansonsten: Bedenken äußern)

  • mangelnde Berücksichtigung sozialer Aspekte
    Nur bei betriebsbedingter Kündigung: Fehler konkret benennen!
  • Verstoß gegen Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG
    Nur bei betriebsbedingter Kündigung: Verstoß konkret benennen!
  • Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
    Anderen freien Arbeitsplatz konkret benennen!
  • Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach zumutbarer Umschulung
    Maßnahme/ ungefähre Dauer und voraussichtliche Beschäftigungsmöglichkeit konkret benennen!
  • Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unter geänderten Vertragsbedingungen und im Einverständnis mit AN
    Möglichkeit einer Änderungskündigung als milderes Mittel: Freien Arbeitsplatz oder geänderte Arbeitszeit konkret benennen!
  • Protokoll
  • Personalabteilung und Eingangsstempel
    Schriftlich, Fax, (Vorsitzender als Absender erkennbar)
    Unter Angeben von Gründen (nicht nur Gesetzeswortlaut wiederholen!)

Vor allem bei außerordentlicher Kündigung am Ende der Frist.

9. Vorlagen für Betriebsratswiderspruch bei einer Kündigung

Hier können Sie sich kostenlos eine Vorlage für den Widerspruch herunterladen:

BR-Widerspruch gegen betriebsbedingte Kündigung – Kostenloses Muster zum Download

BR-Widerspruch gegen verhaltensbedingte Kündigung – Kostenloses Muster zum Download

BR-Widerspruch gegen personenbedingte Kündigung – Kostenloses Muster zum Download

BR-Widerspruch gegen außerordentliche Kündigung – Kostenloses Muster zum Download

10. Video